Werdegang und widerstand

Gebhard Werner von der Schulenburg Dr.jur. et phil. geb. 9.12.1881 in Pinneberg / Holstein gest. 29.3.1958 in Magliasina bei Lugano / Schweiz Schriftsteller, Publizist, Theater-Autor Widerständler

Familie

deutscher Uraldel aus der Altmark (Mark Brandenburg) zwei Burgen 1237 urkundlich erwähnt Lehnsherren, Staatsdiener, Gutsbesitzer, höhere Verwaltungs-beamte, Diplomaten, Offiziere.

Eltern
Vater Hugo, Berufsoffizier, im Krieg 1871 durch Kopfschuss schwer verletzt. Zur Genesung ein Jahr in Italien. Musste den Dienst quittieren und wurde Beamter.
Mutter Elisabeth Richter, aus dem gebildeten Bürgertum Schlesiens, deren Vater Superintendent (Pastor) in Prieborn hatte starken Einfluss auf den jungen Werner.

Erziehung und Ausbildung
entgegen der musischen Veranlagung wurde Werner nach dem 10. Lebensjahr in der Kadetten-Anstalt in Plön erzogen. Königliche Offiziersschule. Unter den Kameraden auch Busch, Blaskowitz und Schleicher; von Papen im abschliessenden Offizierslehrgang in Lichterfelde bei Berlin. Heftige Auflehnung gegen den ihm unerträglichen seelischen Druck.

Erste schwere Erkrankung
der Wirbelsäule (Sturz vom Pferde), Behandlung in der Militärklinik in Wiesbaden. Monatelang im Rollstuhl. Durch den internationalen Kurbetrieb Kontakt mit hochgestellten Persönlichkeiten, die Werners Italien-Sehnsucht fördern. Die Kronprinzessin Louise von Sachsen gibt ihm ein Empfehlungsschreiben an eine Verwandte des Papstes in Rom.

Genesungs- und Kavalierstour
die sogenannte 'gute Erziehung' jener Zeit war die humanistische gemäss den Idealen der klassischen Antike. Griechisch und Latein selbstverständlich. So wurde in den bildungshungrigen jungen Menschen die Sehnsucht nach Italien geweckt, nach der griechisch-römischen Kultur, auch nach dem besseren Klima, der südlichen Landschaft, die viele Künstler inspirierte.Ein 'MUSS' für den gehobenen Stand, möglichst bis nach Sizilien, dem einstigen Gross-Griechenland. Schwerpunkt bleibt Rom, Wiege des christlichen Abendlandes - auch für den strenggläubigen Protestanten. Werner hat sich etwa ein Jahr in Rom aufgehalten, dank jener Empfehlung die Nichte des Papstes kennengelernt, er wurde von Leo XIII. in Privataudienz empfangen und erhielt das Angebot, in vatikanische Dienste zu treten. Dazu aber wäre die Konversion unabdingbar gewesen.

Rückkehr und Wiederaufnahme des militärischen Dienstes
Die Gesundheit war nur vorübergehend gefestigt. Beim strengen Dienst als Berufsoffizier zeigte sich das alte Übel. Damit Abschied von der militärischen Laufbahn.

Erstes Studium
der Jurisprudenz in Leipzig, München, Strassburg und zum Abschluss in Erlangen. Reges wissenschaftliches Interesse über die Grenzen der Fakultät hinaus. Wichtige Begegnungen, geistige Kämpfe, politische Auseinandersetzungen vor allem über den Pazifismus, wie er von Bertha von Suttner vertreten wurde. Erste Begegnung mit ihr in Lepzig 1904, danach Korrespondenz. Staatsexamen, Dr.jur.l908

Staatsdienst in Hamburg
Erste Eheschliessung 1909 in Rapallo. Anstellung als Refrendar in Hamburg, doch der Rechts-Alltag war banal und befriedigte nicht. Schulenburg, von dem bereits Lyrik und Prosastücke erschienen sind, wird mit zwei Romanen ein anerkannter Schriftsteller und verzichtet auf die Beamtenlaufbahn.

Zweites Studium
der Kunstgeschichte, zunächst in Hamburg bei Lichtwark. Von diesem nach Berlin empfohlen zu Max Liebermann: Zecihnen, Aquarellieren und Restaurieren in den Werkstätten des Kaiser-Friedrich-Museums. Studien auch bei Frey, Löschke und Goldschmidt.

Abschluss des zweiten Studiums
in Freiburg/Schweiz bei Prof. Leitschuh mit der These "Die Triumphe Petrarcas in der bildenden Kunst" 1914. Habilitationsschrift -"Ein neues Porträt Petrarcas" 1915.

Erster Weltkrieg
vom Ausbruch des Krieges bei Studien in Arles, Südfrankreich, überrascht. Schwierige Reise durch das feindlich gesinnte Italien nach Deutschland. Freiwillige Meldung beim Ersatz-Bataillon Frankfurt/Oder, in der zweiten Masurenschlacht Dienstverletzung durch Autounfall. Wieder Wirbelsäule. Nach der Genesung, halbwegs, auf Empfehlung zum Generalstab Abteilung Kriegspresseamt. Besichtigungsreise mit einem chinesischen General an die Westfront.

In der neutralen Schweiz
1917-1919 als diplomatischer Offizier zur Auslandshilfsstelle der Obersten Heeresleitung (OHL) bei der Kaiserlich Deutschen Gesandschaft in Bern/Schweiz abkommandiert. Presse-Referent des Militär-Attaches. Eindrückliche Erfahrungen in Neutralien: Kalter Kampf der verfeindeten Nationen, offene Intrigen,Spionage, geheimdienstliche Sonderinteressen. Zwischen der Deutschen Gesandtschaft in Bern und der Obersten Heeresleitung bestehen gegensätzliche Meinungen, nicht nur was die Rückkehr Lenins nach Russland betrifft. Schulenburg oft im Hauptquartier zu Vorträgen bei Ludendorff und Hindenburg.

1917 Gespräch mit Lenin
im Auftrag der Gesandtschaft über die Modalitäten der Rückkehr über Deutschland und Schweden nach Rüssland mit Genossen und anderen Begleitpersonen. Anwesend im Bahnhof Zürich bei der Abfahrt des Zuges.

Schulenburgs Warnung nach allen Seiten
auch bei den Schweizer Bischöfen von St. Gallen und Chur vor dem 'russischen Atheismus' wird belächelt und in den Wind geschlagen. Einzige Reaktion: "Die Kirche hat Zeit..."

Nach Kriegsende 1919
Übersiedelung ins Tessin, zweite Ehe mit der Deutsch-Brasilianerin Lisa Schaumann. Überaus glückliche Zeit. Wohnsitz in Ascona, häufige Kulturreisen auch Italien, viel geschrieben, Bildungslücken geschlossen. Schiffsreisen nach Indien, Brasilien und Südafrika. Den Vogelturm 'Roccolo' mit Wohnhaus und Grundbesitz erworben und ausgebaut, viele und berühmte Gäste. Die ersten Studien zum "König von Korfu" in Mailand, Verona und Venedig, auch die ersten Entwürfe zu den späteren Erfolgs-Komödien. Wissenschaftliche Arbeiten zu Jacob Burckhardt, Dante, Nietzsche, Goethe, oft zu Gast in Weimar: Goethe-Gesellschaft und Nietzsche-Archiv. Umfangreicher Briefwechsel mit E. Förster-Nietzsche. Um der gesellschaftlichen Unrast Asconas zu entkommen, im nahen Val Onsernone das Kastaniengut "La Monda" gekauft. Hier nur die vertrautesten Gäste wie Max Scheler, Leopold von Wiese,Oskar Walzel, die Maler Deckwarth und Niemeyer-Holstein. Ständiger Kontakt zu Deutschland. Vortragsreisen.

Begegnung mit Margherita G. Sarfatti
die erste, eher flüchtige, am Abend vor dem Marsch auf Rom. Später oft im Salon in Mailand. Reger Kontakt ab 1926 führt zu herzlicher Freundschaft. Gleiche Absichten: kultureller Austausch zwischen den beiden Völkern, doch kein politisches Zusammengehen. Donna Margherita, die "grosse Dame des Faschismus" jener Jahre. Noch stand der Duce in hohem Ansehen weit über Europa hinaus.

Zeitschrift "Italien"
monatlich 1928-1930, Herausgeber und Mitarbeiter Werner von der Schulenburg. Die wichtigsten geistigen Menschen Italiens und viele Künstler kennen gelernt: Ugo Orietti, D'Annunzio, Farinelli u.a.

In der "Gerarchia"
Monatsschrift Mussolinis, auf dessen ausdrücklichen Wunsch über Hitler und die Bewegung berichtet, Dez. 1929. Streng objektiv. Gleichzeitig Kopie eines Antwortbriefes an Rudolf Hess, damals Sekretär Hitlers, an Frau Sarfatti gesandt mit der dringlichen Warnung: "die hohe Stelle sollte acht geben!" Umgehend Antwort von M. Sarfatti mit der Bitte um einen Artikel für die "Gerarchia" über Hitlers "Judenhetzerei". Schulenburg schreibt diesen Beitrag, doch Mussolini lehnt die Veröffentlichung ab mit der Begründung, in Italien gebe es keine Judenfrage.

Hitler schreibt an Schulenburg
am 2.Jan. 1930 und bedankt sich "für den Dienst, den Sie damit der nationalsozialistischen Bewegung geleistet haben". Dies war Schulenburgs Absicht nicht gewesen, er war nur Mussolinis Bitte gefolgt und hatte nicht mit eigenem Namen sondern mit 'Geert von Schwochau' gezeichnet. Diesem Brief liegt ein Blanco-Ausweis der 'Schutzstaffel der N.S.D.A.P.' bei, "SS-Führer-Ausweis", bereits mit der Unterschrift des Reichsführers SS H.Himmler. Schulenburg macht keinen Gebrauch davon. Im Gegenteil.Fortan schreibt er offen gegen Hitler bei jeder Gelegenheit vor allem in der "Gerarchia". Selbstverständlich wird Mussolinis Monatsschrift von den Presseleuten in der Münchner Parteizentrale aufmerksam gelesen.

Von Edgar Jung
dem späteren Mitarbeiter Franz v.Papens erscheint 1930 im Verlag Deutsche Rundschau Berlin ein politisches Buch "Die Herrschaft der Minderwertigen". Es soll zum Partei-Programm der Neu- bez. Jung-Konservativen werden und ein Gegenstück bilden zu Hitlers "Mein Kampf". Schulenburg bespricht dieses Buch ausführlich in der "Gerarchia".Die Jung'schen Ideen lassen sich zwar nicht durchsetzen, doch der Kontakt ist hergestellt zwischen diesem heftigen Gegner Hitlers und Schulenburg. Auch zum Herausgeber der "Deutschen Rundschau", Dr. Rudolf Pechel, Nazi-Gegner auch er.

Nietzsche und der Nationalsizialismus
da Schulenburg als Ausländer in der Schweiz keinen politischen Vortrag halten darf, hält er unter diesem Titel einen streng wissenschaftlichen und zeigt dabei auf, dass Hitler sich zu Unrecht auf Nietzsche beruft, dies nur eine Maske ist. Schulenburgs Argumente bleiben wissenschaftlich, dennoch verstehen seine Zuhörer, die Berner Studentenschaft, die politische Aussage. Hitler wird als "Anstreicher" und Imitator Mussolinis bespöttelt, und auch von vielen politisch erfahrenen Leuten nicht ernst genommen. Dennoch treibt die Entwicklung auf Hitler zu.

Nach der Machtergreifung
im März 1933 treffen sich Schulenburg und Edgar Jung in Berlin. Von hier aus schreibt Schulenburg nach Weimar an Frau Förster-Nietzsche am 7.5. über den ersten Judenboykott der Nazis: “Jetzt gehöre ich in die Zentrale. Wie Sie, gnädige Frau, kann auch ich die Judendinge nicht mitmachen... Ich muss jetzt in die Kampflinie, und irgend etwas wird sich finden."

Auf dringendes Anraten von Edgar Jung zum Papen-Kreis
Der Vize-Kanzler hat bald erkannt, auch wenn er es nach aussen nicht zugeben kann, wie sehr er sich in Hitlers Durchsetzungswillen und den Machtgelüsten seiner Anhänger getäuscht hat. Noch rechnen viele damit, dass Hitler sich nicht an der Macht halten kann, und es nach einem Jahr wieder einen Wechsel geben wird. Auch Schulenburg schreibt in diesem Sinne in der "Gerarchia". Im Ausland denkt man genauso. Doch der Einfluss der Nazis setzt sich von Woche zu Woche mehr durch. Teils werden die anderen Parteien verboten, teils lösen sie sich selbst auf.

Vatikanisches Konkordat mit dem Dritten Reich
im Juni und Juli 1933 ist Schulenburg als v.Papens Presse-Chef mit dabei. Angespannte Atmosphäre, relative Unsicherheit auf Seiten der deutschen Katholiken, denn es gibt Widerstände und Intrigen aus Parteikreisen in Berlin. Eugenio Pacelli ist Kardinalstaatssekretär. Franz v.Papen macht eine Reihe von Zusagen, die später von Regierungsseite nicht eingehalten werden.

Der Vier-Mächte-Pakt EFDI 1933
Abschluss 15.7. - Im Mai und Juni laufen die Verhandlungen zu diesem Abkommen zwischen den vier europäischen Grossmächten. Mussolini wird als Initiator des Paktes entsprechend gefeiert. Frau Sarfatti bittet Schulenburg um eine Stellungnahme von deutscher Seite für die "Gerarchia". In Rom pflegt Schu. gute Kontakte zu deutschen und vatikanischen Stellen. Den deutschen Botschafter am Vatikan, v.Bergen, kennt er seit langem, er weiss sich einigen mit dem deutschen Botschafter am Quirinal, Ulrich v. Hassell: Hitler ist eine Gefahr nicht nur für Deutschland, Mussolini sollte von ihm ferngehalten werden.Kulturelle Annäherung an Italien, doch keine politische Bindung.

Ordre des Vize-Kanzlers v.Papen an Schulenburg
Solange die Anschluss-Frage Österreich offen ist und das Ansehen Deutschlands in der Welt sich noch nicht wieder gefestigt hat: Kritik nur an einzelnen Auswüchsen des Nationalsozialismus, nicht generell.

August 1933 Engadiner Konferenz
der Tomarkin-Fondation. Diese zweiwöchige Ärzte-Tagung läuft auf zwei Schienen, ebenso intensiv auf der wissenschaftlichen wie auf der politischen. Einflussreiche italienische Persönlichkeiten kommen im Wechsel von wenigen Tagen in das Hotel Palace in St. Moritz und konspirieren. Schulenburg: "Meine Bindungen nach Italien sind durch diese Konferenz weiter gefestigt worden. Donna Margherita hat mir Winke gegeben von so grosser Bedeutung, dass ich ihr für dieses Vertrauen nur dankbar sein kann." Ihre Begleiterin und enge Freundin, Mme.Boas de Jouvenel, eröffnet Schulenburg gute Kontakte nach Paris. Auch sie ist Hitler-Gegner und Befürworter einer Annäherung Deutschland-Frankreich.

Anfang September 1933 nach Paris
im Auftrag und im Sinne des Vize-Kanzlers v.Papen, vorbereitende Gespräche mit französischen Politikern, Industiellenund Bankiers.

Beim Völkerbund 1933
Schulenburg durch den Vize-Kanzler Ende September zur Berichterstattung nach Genf delegiert. Bérenger ist Leiter der französischen Delegation. Beim Presse-Empfang hält Minister Goebbels eine Rede und betont den Friedenswillen der Nationalsozialisten.

Hochzeit im Hause Sarfatti
am 15.10.1933. Einladung an Schulenburg zur Hochzeit der Tochter Fiammetta. Viele Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Dazu Schulenburgs Notiz: Grosse politische Besprechung mit Marg. Sarfatti. Am 16. und 17. Fahrt in die Sabiner Berge." Auch beste Informationen für Schulenburgs 2.Pariser Reise.

Zweite Pariser Reise am 1.11.1933
im Auftrag des Vize-Kanzlers. Schulenburg trifft den Senator Bérenger und legt diesem v.Papens genau formulierter Fragen vor, welche die Politik Deutschlands betreffen nach dem Sturz Hitlers. Der Senator gibt seine Antworten nur mündlich, und Schulenburg schreibt sie an den Rand des Dokuments.

In der Anschluss-Frage Österreichs
im Auftrag v.Papens am 21.11.1933 in Rom. Margherita Sarfatti hat Schulenburg ein Gespräch mit Mussolini zugesagt, ihm ein Empfehlungsschreiben an dessen Sekretär Dr.Chiavolini, mitgegeben. Der Empfang beim Duce kommt nicht zustande, da sich der Präsident des Völkerbundes zu Besuch in Rom aufhält. Schulenburg wird an Mussolinis Kabinettschef Aloisi verwiesen. Mit ihm bespricht er den Inhalt des für den Duce bestimmten Memorandums.Unerwartet grosse Aufregung: Warum ein solches Angebot, Hitler würde auf jede Einflussnahme in Österreich verzichten, insbesondere würde jedwede nationalsozialistische Propaganda in Österreich aufhören - nicht durch diplomatische Kanäle anMussolini gelangt.

Margherita G. Sarfatti schreibt an v.Papen
"...es hat mir recht viel Freude gemacht unseren lieben gemeinsamen Freund (W.v.d.Schulenburg) auf seinem taktvollen Werke wieder hier zu sehen. Er ist hier immer willkommen und webt fleissig fort." - Auch sie ist gegen den Anschluss und bittet Schulenburg, einige Tage zuzuwarten, ob sich die Aufregung nicht lege. Da er gefragt worden war, welcher Status ihm für eine solche Mission zukomme, die eines Privatmannes oder eines Journalisten, kehrt er nach Berlin zurück, um sich vom Vize-Kanzler Vollmachten geben zu lassen. Bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof Zoo wird Schuulenburg von einem Freund erwartet und gewarnt, es liege ein Haftbefehl gegen ihn vor, er möge schleunigst in die Schweiz zurückkehren, zu seinem Wohnsitz im Tessin.

Woher stammt der Haftbefehl
und was wird ihm vorgeworfen - von welcher Seite? Die Klärungsversuche laufen über einige Monate und bringen kein Licht in die Sache. Der Vize-Kanzler schweigt sich aus, es wird sogar angedroht, bei weiteren Nachforschungen Schulenburgs sei auch seine Freundin und häufige Begleiterin in Gefahr. Daraufhin holt er Frau Wentzel in die Schweiz.

Während des Röhm-Putsches 1934
werden Dr. Edgar Jung und Herbert v.Bose, zwei der engsten Mitarbeiter v.Papens, von den Nazis erschossen. Schulenburg wagt sich nicht nach Deutschland. Mit der Erklärung Hitlers am 21.Mai 1935, die Reichsregierung anerkenne die volle Souveränität des Bundesstaates Österreich scheint jeder Grund für einen Haftbefehl gegen Schulenburg hinfällig, dennoch fährt er nur mit grossen Bedenken zur Uraufführung von "Schwarzbrot und Kipfel" nach Dresden.

Schulenburgs durchschlagende Bühnen-Erfolge 1936
machen ihn überall berühmt und damit, so glaubt er, auch unangreifbar. Er verwendet sich für seinen jüdischen Arzt und für jüdische Kollegen direkt im Propaganda-Ministerium, spricht mit Staatsrat Hinkel und Goebbels telefonisch. Daraufhin wird Schulenburg die geplante Reise nach Südafrika untersagt, seine Komödien werden für unerwünscht erklärt, und kein Intendant hat mehr den Mut, sie aufzuführen. Zwangsläufig wendet Schulenburg sich vom Theater ab und schreibt wieder Romane. Nur schwer bekommt er die Papier-Zuteilung für seine Bücher, so intensiviert er seine Beziehungen zu Italien.

Hitler ist der anerkannte Führer
und wird in den nächsten Jahren zum erfolgreichsten Politiker Europas. Sein 'starker Wille' und sein Deutschland gelten als sicherster Prellbock gegen den Bolschewismus, darauf bauen selbst die letzten Gegner im In- und Ausland. Widerständler finden weder Gehör noch Unterstützung. Das deutsche Volk wird durch ein Übermass an Propaganda getäuscht und betrogen.

Kritische Nazi-Anhänger
die noch immer an eine mögliche Korrektur des Systems glauben,hegen eine gewisse Sympathie für die Abweichler, Leute, die sich aus den verschiedensten Gründen dem Regime versagen. So auch Walter Wüster, ein Mann des Auswärtigen Amtes, der Schulenburg als Theater-Dichter und Buch-Autor schätzt und persönlich kennt. Im Sommer 1939 macht er Schu. das Angebot nach Rom zu kommen und dort für die kulturellen Belange der Deutschen Botschaft tätig zu werden. Auch ohne Parteibuch,ohne jeden politischen Zwang.

Im Kaiser-Wilhelm-Institut in Rom
wird Schulenburg im Herbst 1939 mit Theaterwissenschaftlichen Aufgaben betraut. Offene Aussprache mit dem Leiter, Prof. Hoppenstedt. Für diesen zählt nur die fachliche Befähigung, nicht aber die politische Meinung. Daher bestes Einvernehmen.

Nach dem Polen-Feldzug im Winter 1939/1940
starke Friedensbemühungen von Seiten der Militärs, der Diplomaten und der Neutralen.Der Nichtangriffspakt mit Russland gab Deutschland Rückendeckung, Frankreich schien so wenig kriegslüstern wie England. Auch das deutsche Volk, ohne jede Begeisterung in den Kampf gezogen, wünschte den Frieden. In seiner Weihnachts-Ansprache forderte Papst Pius XII. dieWelt zum Frieden auf.

Mit Mussolini vereinbart
Schulenburg die Übersetzung und Bearbeitung des historischen Schauspiels "Villafranca" von Forzano-Mussolini. Aufführung mit dem Titel "Cavour" am Deutschen Staatstheater in Berlin am 9.Mai 1940. Mit Mussolini wieder ein ernstes Gespräch nach langen Jahren. Damals war Margherita Sarfatti Mittlerin zwischen den Beiden, Freundin und Vertraute des Duce, noch vor Kriegsausbruch war sie vor ihren Feinden geflüchtet, ins Exil nach Paris. Sie hatte Mussolini nachdrücklich vor Hitler gewarnt. Welche Eisntellung dazu hatte Mussolini zu Beginn des Jahres 1940 - wie würde Schulenburg von ihm empfangen werden? Durchaus mit Wohlwollen.

Über seinen langjährigen Freund Ico Stallforth
amerikanischer Investment Banker deutscher Herkunft mit starken Interessen für den Frieden, und mit der Unterstützung durch Walter Wüster, erreicht Schulenburg, dass Ribbentrop Fühlung aufnimmt mit dem Vatikan und dem Papst einen Besuch macht. Pacelli, zuerst befragt, ist einverstanden. Ribbentrop kommt im Sonderzug und befiehlt noch am Abend Schulenburg in sein Hotel. Nach der Audienz des Aussenministers wird Schulenburg vom Papst empfangen und erfährt vom blamablen und erfolglosen Auftritt Ribbentrops. Rom, 11.März 1940

Alessandro Pavolini, Ministro
della Cultura Popolare, erteilt Schulenburg die Zustimmung zur Übersetzung seines Erzählbandes unter dem Titel "Lichter des Dorfes". Alle diese Erzählungen sind unpolitisch. Zwischen Pavolini und Mussolini herrscht Einvernehmen in der Ablehnung Hitlers. Seit dem Einmarsch in Prag, dem Pakt mit Stalin und erst recht seit dem Polenfeldzug fühlt sich der Achsenpartner hintergangen und verraten. Schliesslich war es Hitler gewesen, der um die Freundschaft Italiens geworben hatte, um den Beitritt zu den Verträgen. Jetzt aber ist das offizielle Zusammengehen nur noch reiner Pragmatismus. Die "unverrückbare Freundschaft zwischen den beiden grössten Staatsmännern der Geschichte" ist nur noch propagandistische Schaumschlägerei.

Wiederbegegnung mit Mussolini
eines Tages ist Schulenburg zu einer Unterredung bei Pavolini in dessen Büro. Anschliessend hat der Minister einen Vortrag beim Duce, doch anstatt den Gast zu verabschieden, nimmt er Schulenburg nach kurzer Rückfrage im Palazzo Venezia einfach mit. So festigt sich seine Beziehung zu den führenden Italienern,sie werden seine Beschützer. Obwohl oder gerade weil sie seine Einstellung kennen, sie haben ihn befragt und wissen, dass er kein Partei-Mitglied ist.

Schulenburg ist kein Faschist
er braucht es auch nicht zu sein. Was zählt, ist seine Arbeit für den deutsch-italienischen Kulturaustausch. Seine politische Einstellung ist nach wie vor deutsch-national, sein Wunschbild eine parlamentarische Monarchie nach dem Beispiel Englands. Als Humanist vertritt er kompromisslos die Menschenrechte, vor allem die der Juden gegenüber dem Regime. Als Kriegsgegner und Pazifist schätzt er die Ideen Bertha von Suttners.

Anfeindungen und Intrigen
insbesondere von Seiten der Deutschen Botschaft in Rom. Dort sagt man von ihm: "Sein anerkanntes Können und er selbst müssen ausgenutzt und er dann mit Benzin übergossen und angesteckt werden." Längst hat sich Schulenburg den Verpflichtungen entzogen. Er übernimmt nur noch Arbeiten, die er mit seinem Gewissen vereinbaren kann, hat ein privates Übersetzer-Büro eingerichtet und beschäftigt vorwiegend jüdische Mitarbeiter. Gute Zusammenarbeit mit dem italienischen Verband der Theater-Autoren. Schulenburg übersetzt und bearbeitet fünfzehn Bühnenwerke seiner italienischen Kollegen.

Auf Schloss Hehlen in Deutschland
trifft sich Werner an Pfingsten 1942 mit drei anderen Vettern, dabei auch der ehemalige deutsche Botschafter bei Stalin. Sie gründen eine Widerstandszelle mit der Aufgabe, einflussreiche Ausländer für den Widerstand zu interessieren mit dem Ziel, den Krieg so bald wie möglich zu beenden.

Das Wieder-Erscheinen seiner Zeitschrift "Italien"
hat Schulenburg von langer Hand und sorgfältig vorbereitet,gegen die Einschränkugnen durch die Kriegslage bedingt: Papierbeschaffung und Druckerlaubnis. Das erste Exemplar geht an Mussolini, doch nach dem dritten Heft bereits werden ihm die Rechte entzogen, vom Propaganda-Ministerium beansprucht mit der Begründung, Schulenburg sei politisch nicht zuverlässig.

Die Gestapo bedroht Schulenburg
Mussolini erfährt davon und hilft, lässt Schulenburg für drei Tage in den Priscilla-Katakomben verstecken. Inzwischen erhält die Gestapo den Bescheid, es gehe nicht an, den Mussolini- Übersetzer zu verdächtigen. Schulenburg dazu: "Ich verdanke ihm mein Leben, weil er eingriff, als ich von Rom nach Deutschland verschleppt und dort umgebracht werden sollte."

Zwei Privat-Audienzen bei Papst Pacelli
noch im gleichen Jahr 1942 im Sinne des deutschen Widerstandes Schulenburg bittet, der Vatikan möge die Verbindung herstellen zu den USA. Im Falle eines geglückten Attentats gegen Hitler solle unverzüglich ein Waffenstillstand herbeigeführt werden.

Mit Mussolini über ein baldiges Kriegsende
spricht Schulenburg auf Wunsch des früheren Botschafters U.v.Hassel wie im Einvernehmen mit Graf Friedrich Werner v.der Schulenburg. Darüber zu berichten fährt Schu. Anschliessend nach Berlin, siehe v.Hassells Tagebuch. Mussolini ist krank, verbraucht, amtsmüde. Das Jahr 1941 brachte zu viele Enttäuschungen und Katastrophen, er sagt, er sei bereits gestorben.

Mit Stallforth, Myron Tylor und italienischen
Persönlichkeiten führt Schu. Gespräche zugunsten des Widerstandes. Auch einen verbotenen Briefwechsel mit André François-Poncet, jetzt französischer Botschafter am Vatikan.

Weil Schulenburg offen gegen Hitler
spricht, streut die Gestapo, feste Institution in Rom, das Gerücht aus, Schulenburg sei ein Agent provocateur. Dem Vatikan wird zugetragen, er, der tatsächlich oft zu Vorträgen für den Kulturaustausch nach Deutschland fährt, würde im Auftrag der Gestapo gefangene Regime-Gegner über die Grenze geleiten und sei in Deutschland persönlich anwesend bei ihrer Erschiessung. Daraufhin muss Schulenburg durch einen Mittelsmann folgendes erfahren: Man wisse zwar im Vatikan, dass dies nur eine üble Verleumdung sei, dennoch möge Schulenburg um keine Audienz beim Papst mehr einkommen.

Die deutsche Gestapo macht eine Hausdurchsuchung
unangekündigt im privaten Übersetzer-Büro Schulenburgs. Die Sekretärin kann gerade noch die belastenden Dokumente verschwinden lassen, doch die Gefahr wächst.

Pavolini versucht Schulenburg zu schützen
und will ihm eine hohe italienische Auszeichnung verschaffen. Naheliegend wäre eine hohe faschistische Dekoration. Mit Rücksicht auf Schulenburgs politische Einstellung und sein persönliches Empfinden,erbittet Mussolini vom König einen Orden der Krone. So erhält Schulenburg den Orden der Commendatore della Corona d’Italia Damit wird er unangreifbar, jedoch nur für kurze Zeit.

Schulenburg weiss vom nahen Ende
der faschistischen Ära aus sicheren italienischen Quellen.Die Deutschen führen sich in Rom bereits auf wie die Herren, die deutschen Truppen in Italien, in Kämpfe mit den Alliierten verwickelt, benehmen sich wie die Besatzer.

Mit dem Sturz Mussolinis
und Pavolinis verliert Schulenburg seine mächtigsten Beschützer. Seine Stellung als Regime-Gegner wird unhaltbar. Er verschafft sich die nötigen Ausreise-Visa für alle Fälle.

Die deutsche Gestapo verlangt von Schulenburg bei der Befreiung Mussolinis
dabei zu sein, damit der Duce, von dem man nicht weiss, wie er reagieren wird, gleich einen guten Bekannten sieht undVertrauen fasst. Schulenburg lehnt dieses Ansinnen oder diesen Befehl ab mit einem klaren Nein. Doch er fährt eilends ausser Landes, wechselt in Deutschland mehrfach den Aufenthaltsort, begibt sich in Kliniken und Sanatorien zu befreundeten Ärzten, wo er Schutz vermutet. Er fährt in die Schweiz und erkundet die Lage. Auch bei Freunden im Tessin kann er nicht bleiben, sobald sein Touristen-Visum abgelaufen ist, wird er interniert. Und in Rom ist seine Ehefrau zurückgeblieben, arbeiten noch seine Angestellten, liegen seine Arbeiten, Manuskripte und politische Aufzeichnungen, dort befindet sich sein ganzer Besitz: die Vigna in Ariccia, die Stadtwohnung, Bibliothek, Kunstgegenstände. -Doch kaum Ende Oktober in Rom angekommen,ist die Gestapo wieder hinter ihm her.

Von der Gestapo ausgewiesen am 23.November 1943
reist Schulenburg nur mit Handgepäck von Rom nach Venedig. Auch hier hat er gute Freunde. Der Generalkonsul Köster vermittelt ihm einen Unterschlupf im Hotel Danieli, wo deutsche Fliegeroffiziere einquartiert sind. Er vervollständigt seine Archiv-Studien zum "König von Korfu" und pflegt seine beste henden Verbindungen zum italienischen Adel der Stadt. Sechs Monate kann er bleiben, dann wird er wegen defätistischer Äusserungen bei der deutschen Gestapo denunziert. Vom Generalkonsul rechtzeitig gewarnt, flieht Schulenburg über die grüne Grenze und erreicht die bayrischen Berge.

Im Juli 1944 nach dem Attentat auf Hitler
wird auch Schulenburg per Radio gesucht. Es gelingt ihm, sich in Berghütten zu verstecken, selten steigt er ins Tal hinab zu seinen Freunden "für ein heisses Bad und ein ordentliches Essen." Schulenburg zieht sich ein schweres Herzleiden zu, doch er überlebt.

Das Landgericht München I., 4. Entschädigungskammer
AZ EK 10189/53 hat mit Urteil vom Dezember 1955 Schulenburg als Verfolgten des Nazi-Regimes eingestuft, sein Herzleiden als verfolgungsbedingt anerkannt, ihm eine Entschädigung zugesprochen sowie die Erstattung aller Kosten für die medizinische Pflege und eine monatliche Rente.

Nachtrag
Zum dritten Mal geschieden, der Besitz in Rom geplündert,verkauft, gestohlen, in der Heimat ohne Wohnsitz und fast mittellos in häufig wechselnden Quartieren bei rastloser Arbeit. Unterernährt und am Ende seiner Kräfte wandte Schulenburg sich an seine Schweizer Freunde, und diese verschafftem ihm die Einreiseerlaubnis für ein Jahr zu medizinischen Kuren. Nach der Rückkehr Übersiedelung an den Bodensee, in der Villa Elena in Bad Schachen wurde der "König von Korfu" beendet, erschien 1950 im Verlag Westermann/Braunschweig und wurde sofort zum Bestseller, steht inzwischen auf der Liste der Weltliteratur.

1951 Wiederbegegnung mit Jsa Carsen-Iser, Heirat im April.Intensive literarische Zusammenarbeit. Vorbereitung der um 40 Jahre jüngeren vierten Ehefrau auf die Verwaltung des Archivs und den politischen wie literarischen Nachlass. Drei Kinder. Wichtige Papiere zu Schulenburgs Kulturarbeit während des Krieges und zu seinen Bemühungen um den Widerstand sind beim Einmarsch der alliierten Truppen in Rom im Juni 1944 durch die Plünderung verloren gegangen. Wesentliche Zeugenaussagen hat der Wiedergutmachungsprozess erbracht. Aufschlussreiche Dokumente aus dem I.Weltkrieg,Kriegs-Presseamt, Oberste Heeresleitung und Kaiserlich Deutsche Gesandtschaft in Bern sind erhalten geblieben dank der Einlagerung als privates Gastarchiv beim Staatsarchiv Basel-Stadt. Ebenso Dokumente zum Papen-Kreis 1933 und Schulenburgs Leben in Ascona/Tessin von 1919 bis 1935.