Gebhard Werner von der Schulenburg
Pinneberg 09.12.1881 – Magliasina 29.03.1958
Dr. jur et phil.
Schriftsteller, Publizist, Theater-Autor und Widerständler
Dr. jur et phil.
Schriftsteller, Publizist, Theater-Autor und Widerständler
Nach der Tradition der Familie in Plön und Lichterfelde zum Offizier erzogen, Kadetten-Kameraden: Blaskowitz, Papen, Busch und Schleicher. Aufgrund des Schadens an der Wirbelsäule 1902 als Leutnant ausgeschieden, studierte er Jura in München, Marburg und Leipzig. Seine Referendarzeit schloss er mit der Promotion zum Dr. jur. Erste Ehe 1909.
Nachdem er sich mit den Romanen “Chronik der Stadt Söderborg „ und “Stechinelli„, einem Lustspiel sowie zwei Dichtungen bereits einen literarischen Namen gemacht hatte, verliess er den Hamburger Staatsdienst und studierte Kunstgeschichte bei Lichtwark in Hamburg, Max Liebermann in Berlin und Leitschuh in Freiburg/Schweiz.
1914 bei Studien zu Petrarca in Südfrankreich vom Kriegsausbruch überrascht, reiste er über Italien nach Deutschland und stellte sich beim Inf. Reg. Nr. 9 in Frankfurt/Oder.
In der 2. Masurenschlacht durch Unfall dienstverletzt, kam er nach Genesung auf Empfehlung zur Obersten Heeresleitung (OHL) Abteilung Kriegspresseamt, wurde von dort 1917 als diplomatischer Offizier der Auslandsstelle der OHL an die Kaiserlich Deutsche Gesandtschaft nach Bern/Schweiz abkommandiert. Oftmals zum Vortrag bei Ludendorff und Hindenburg im Hauptquartier.
1919 Übersiedelung nach Ascona/Tessin. Hier erwarb er den Vogelturm “Roccolo„ mit Haus und umfangreichem Landbesiz unterhalb des Monte Verità. Zweite Ehe 1921. Glückliche und erfolgreiche Jahre, Studienreisen nach Indien, Südamerika und Afrika, literarische und wissenschaftliche Arbeiten, viele prominente Gäste. Erste Kontakte zu Margherita G. Sarfatti und Mussolini, Herausgeber der Zeitschrift “Italien„ (1927-1930) und reger Einsatz für den deutsch-italienischen Kulturaustausch.
Ab November 1930 öffentliche Warnung vor Hitler und seiner Bewegung in Mussolinis Monatsschrift “Gerarchia„.
Kaum zwei Monate nach der ‘Machtergreifung, noch vor dem Juden-Boykott vom 01.04.1933, holte Dr. Edgar Jung ihn zum Papen-Kreis nach Berlin. Schulenburg begleitete den Vizekanzler als dessen Presse-Chef zu den Konkordatsverhandlungen nach Rom, beobachtete auch das Zustandekommen des Vier-Mächte Paktes und war anschliessend tätig für den Papen-Kreis in St. Moritz/Schweiz und in Paris. Nach seiner lezten Mission im Auftrag von Papens in Rom wurde er bei seiner Rückkehr per Haftbefehl gesucht, von Freunden am Berliner Bahnhof Zoo gewarnt und konnte sich mit falschem Pass in die Schweiz retten.
Ein halbes Jahr später erfolgte der Röhm-Putsch, der Papen-Kreis wurde gesprengt, Edgar Jung und Herbert von Bose erschossen. Für Schulenburg keine Rückkehr nach Deutschland möglich fast zwei Jahre lang, bis sich die politische Lage beruhigt hatte.
In dieser Zeit zweite Scheidung und dritte Ehe 1934, jetzt Wohnsitz auf dem Kastaniengut “La Monda” oberhalb von Auressio im Val Onsernone/Tessin.
1936 meistgespielter Komödien-Autor mit “Schwarzbrot und Kipfel” und “Diana im Bade”. Nach einem Anruf im Propaganda-Ministerium, Gespräch mit Karl Hanke, im Beisein seiner jüdischen Freunde zugunsten der Juden generell, wurden seine erfolgreichsten Bühnenstücke für unerwünscht erklärt. Dies war gleichbedeutend mit einem Verbot.
Von einem Tag zum anderen fielen die grossen Einnahmen weg, für die epischen Werke kaum Zuteilung an Papier. Übersiedelung nach Irschenhausen bei München. Dennoch blieb sein Name unvergessen, im Sommer 1939 überbrachte Generalkonsul Walter Wüster das Angebot, für die Deutsche Botschaft in Rom als Berater in Kulturfragen tätig zu werden. Völlig unpolitisch, dies war Schulenburgs Bedingung, sie wurde angenommen.
Reise nach Rom bereits im Herbst 1939 mit einem theaterwissenschaftlichen Auftrag. Bald jedoch heftige Gegensätze mit der Botschaft, Schulenburg weigerte sich, in nationalsozialistischem Sinne tätig zu sein und übernahm nur noch Aufgaben, die er mit seinem Gewissen vereinbaren konnte. Er pflegte seine italienischen Beziehungen, zog sich vom deutschen Kulturbetrieb mehr und mehr zurück, eröffnete ein eigenes Übersetzer-Büro, übertrug und bearbeitete die Stücke italienischer Autoren, darunter auch den “Cavour” von Forzano-Mussolini und die Erzählungen von Alessandro Pavolini “Die Lichter des Dorfes”.
In ständiger Verbindung mit dem ehemaligen Botschafter in Rom Ulrich von Hassel betrieb Schulenburg unter Italienern und Deutschen einen kompromisslosen Widerstand gegen das Nazi-Regime. An Pfingsten 1942 trafen sich vier Vettern Schulenburg und gründeten die Familienzelle der Widerstandsbewegung. Im Sinne des Botschafters Graf Friedrich Werner von der Schulenburg führte Werner Gespräche mit dem Papst, mit Mussolini, Stallforth, dem amerikanischen Sondergesandten Myron Tylor und anderen, vor allem zur rascher Beendigung des Krieges. Auch sein Briefwechsel mit François-Poncet hatte dieses Ziel. Die Gestapo war längst aufmerksam geworden, es gab Verhöre und Hausdurchsuchungen.
Anfang August 1943 stelltte die Gestapo an ihn die Forderung, er solle sich an der Befreiung Mussolinis beteiligen. Er lehnte ab und verliess eilig Rom, reiste durch Deutschland und in die Schweiz auf der Suche nach einem Unterschlupf, Versteck. Nach etwa drei Monaten wurde die Rückkehr unumgänglich, das Übersetzerbüro mit drei Angestellten war aufzulösen, waren Wertobjekte in der Stadtwohnung zu bergen und der Besitz der Vigna in Albano-Ariccia zu sichern.
Da kam am 23. November 1943 die Ausweisung aus Rom durch die deutsche Gestapo innerhalb von 24 Stunden, und Schulenburg machte sich auf die Reise mit zwei Handkoffern und einem Rucksack. In Venedig vermittelte ihm der deutsche Konsul Koester eine Unterkunft bei Fliegeroffizieren im Hotel Danieli. Archiv-Studien, gute Kontakte zum venezianischen Adel.
Anfang Juni 1944 wurde Schulenburg wegen defätistischer Äusserungen von italienischer Seite bei der Gestapo denunziert, von Koester rechtzeitig gewarnt gelang ihm die Flucht über die grüne Grenze bis nach Bayern. Nach dem 20. Juli über Radio gesucht, wechselnde Verstecke in Berghütten, nur gelegentlich zu einer warmen Mahlzeit bei Freunden: krank, ohne medizinische Hilfe bis zum Einmarsch der Alliierten.
Zum dritten Mal geschieden, der Besitz in Rom geplündert, verkauft, gestohlen, in der Heimat ohne Wohnsitz und fast mittellos in häufig wechselnden Quartieren bei rastloser Arbeit. Im zerbombten Deutschland war Literatur wenig gefragt und sie wurde schlecht bezahlt. Unterernährt und am Ende seiner Kräfte wandte Schulenburg sich an seine Schweizer Freunde, und diese verschafften ihm die Einreiseerlaubnis für ein Jahr zu medizinischen Kuren. Nach der Rückkehr Übersiedelung an den Bodensee, in der Villa Elena in Bad Schachen wurde der “König von Korfu” beendet, erschien 1950 im Verlag Westermann und wurde sofort zum Bestseller.
Im Januar 1951 Wiederbegegnung mit Isa Carsen-Iser, Heirat im April. Intensive literarische Zusammenarbeit. Vorbereitung der um vierzig Jahre jüngeren vierten Ehefrau auf die Vervaltung des Archivs und des politischen wie literarischen Nachlasses. Dazu drei Kinder.
1954 Übesiedelung nach Magliasina bei Lugano. Trotz milden Klimas und bester Pflege verschlechterte sich Schulenburgs verfolgungsbedingtes Leiden, er starb 1958 am fünften Herzinfarkt.
Wichtige Papiere zu Schulenburgs Kulturarbeit während des Krieges und zu seinen Bemühungen um den Widerstand sind beim Einmarsch der alliierten Truppen in Rom im Juni 1944 durch die Plünderung verloren gegangen. Wesentliche Zeugenaussagen hat der Wiedergutmachungs-Prozess erbracht.
Aufschlussreiche Dokumente aus dem 1. Weltkrieg: Kriegs-Presseamt, Oberste Heeresleitung und Kaiserliche Deutsche Gesandtschaft in Bern sind erhalten geblieben dank der Einlagerung als privates Gastarchiv beim Staatsarchiv Basel-Stadt. Ebenso Dokumente zum Papen-Kreis 1933 und Schulenburg Leben im Tessin bis 1935.
Das Landgericht München I, 4. Entschädigungskammer AZ EK 10189/53 hat mit Urteil vom Dezember 1955 Schulenburg als Verfolgten des Nazi-Regimes eingestuft, sein Herzleiden als verfolgungsbedingt anerkannt, ihm eine Entschädigung zugesprochen sowie die Erstattung aller Kosten für die medizinische Pflege und eine monatliche Rente.